Aufgasung / Magentympanie / Trommelsucht

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Allgemeines
Der Magen eines gesunden Kaninchens sollte weitestgehend links intrathorakal liegen, also innerhalb des Brustkorbes. Nur 1/3 davon sollte hinter dem Rippenbogen zu spüren sein. Er ist oval- birnenförmig und hat ein Fassungsvermögen von 100-120ml. Aufgrund der schwachen Bemuskelung des Magendarmtrakts, ist der Magen nie ganz leer und hindert die Tiere am Erbrechen. Der Nahrungsbrei bleibt dort ca. 1h und wird durch nachkommende Nahrung weitergeschoben. Eine komplette Passagedauer vom Mund bis zum fertigen Köttel dauert 4-5h. Bei einer Magentympanie bildet sich so viel Gas im Magen, dass dieser sich weiter vor in den Bauchraum wölbt und dort prall und hart ertastbar ist. Da der Magen so schwach bemuskelt ist und manchmal auch der Magenausgang verstopft ist, kann es zu Magenwandrissen, oder zum Absterben einiger Bereiche des Magens kommen, da durch die starke Ausdehnung Blutgefäße abgeschnürt werden. Auch auf die Lunge kann durch einen zu stark gefüllten Magen Druck ausgeübt werden und so die Atmung erschweren.

Ursache
Ursachen für solche Gasbildungen sind in den meisten Fällen fütterungsbedingt. Fehlgärungen durch ungeeignetes oder unbekanntes, zu schnell angefüttertes Futter, dazu gehört zum Beispiel quellendes Trockenfutter in Kombination mit Kohl. Ungeeignetes Futter ist in erster Linie verarbeitetes Getreide, da dieses die Motilinausschüttung hemmt. Motilin ist wichtig für die Darmmotorik und sorgt zusammen mit der Muskulatur und nachrückendem Futter dafür, dass der Nahrungsbrei weitergeschoben wird. Da die Muskulatur sowieso nicht besonders gut ausgeprägt ist und zudem noch die Motilinausschüttung gehemmt wird, bleibt die Nahrung zulange im Magen und beginnt zu gären. Dasselbe passiert bei Pelletfütterungen. Die Kaninchen sind durch die aufgequollenen Pellets satt, fressen nichts mehr und die Nahrung bleibt zu lange im Magen. Weitere mögliche Ursachen können Stress, Infektionen, Darmparasiten, eine Vergiftung oder Zahnprobleme sein. Haben Kaninchen Schmerzen beim Kauen, wird die Nahrung nicht ausreichend zerkleinert und blockiert den Magenausgang. Wodurch eine Magentympanie dann die sekundäre Erkrankung einer vorausgegangenen Verstopfung ist. Auch abgeschluckte Haare kommen bei einer Verstopfung häufig in Frage. Außerdem könnte eine Antibiotika-Intoxikation durch orale Gabe die Ursache sein, falls das Kaninchen vor kurzem schon einmal als Patient behandelt wurde. Penicillin, Lincomycin, Ampicillin, Amoxicillin, Cephalosporine, Clindamycin und Erythromycin dürfen niemals in das Maul eingegeben werden. Buscopan wirkt ebenfalls darmlähmend.

Symptome
Bei einer Aufgasung zeigt das Kaninchen klassische Schmerzsymptome, wie Zähne knirschen, zusammengekrümmte Haltung, schnelle, flache Atmung und eventuell auch Krämpfe und Wegstrecken der Hinterbeine. Aber auch Apathie, ein völliges Zurückziehen und teilnahmsloses herumsitzen sind möglich. Scheue Kaninchen bleiben plötzlich sitzen und lassen sich anfassen. Oft fällt das Problem auch erst auf, wenn das Kaninchen nicht freudig zur Fütterung angerannt kommt und jegliches angebotenes Futter verweigert. Außerdem ist der Bauch beim Abtasten prall und hart, mit dem Stethoskop sind laute Gluckergeräusche hörbar. Da eine Aufgasung sich immer direkt auch auf den Kreislauf auswirkt, leiden die Tiere meist an Untertemperatur (<38°C).

Behandlung
Bei einem oder mehreren Symptomen gilt es sofort zu handeln und das Tier einem Tierarzt vorzustellen. Bis zum nächsten Morgen warten, kann fatale Folgen haben. Denn wie oben schon beschrieben, können Teile des Magens durch die enorme Dehnung absterben und dann ist eine Therapie zu spät. Der Tierarzt sollte auf jeden Fall ein Röntgenbild anfertigen, um zu differenzieren, ob es sich um eine Magenaufgasung oder Magenüberladung handelt, da diese von den Symptomen her fast identisch, in der Behandlung aber anders ist. Wichtig ist die Gabe von Schmerzmittel (Novalgin) und Antitympanika, wie Sab simplex oder Dimeticon. Diese spalten die Gasblase in viele kleiner Blasen, sodass versucht werden kann Gas und Mageninhalt mittels Massagen weiterzubefördern. Eine Bauchmassage sollte von links nach rechts erfolgen, da sich der Magenausgang rechts am Magen befindet. MCP/Emeprid und Bene Bac können als verdauungsfördernde Mittel unterstützend wirken, gerade MCP regt die Darmmotorik wieder an. Ist die Verdauung wieder angeregt, geht es ans Päppeln. Es empfiehlt sich 20ml pro kg pro Mahlzeit zu geben. Bei ganz extremen Aufgasungen kann versucht werden, das Gas mittels Magenschlundsonde abgelassen zu werden. Das ist allerdings etwas riskant und wird nicht von jedem Tierarzt durchgeführt. Bei extremen Fällen muss zunächst eine Schocktherapie stattfinden: Infusion, Sauerstoffzufuhr und Wärmekissen. Ist der Patient wieder stabil, gilt es die Ursache der Aufgasung zu finden, um das Problem dauerhaft zu beseitigen, z.B. Zahn- oder Futterkorrektur.

Die markierten Bereiche des Magen-Darm-Trakts sollten eigentlich homogen mit einer weißlichen Masse gefüllt sein. Hier erkennt man große und viele Gasansammlungen als schwarze Flächen.

Schutz
Als vorbeugende Maßnahme sollte in erster Linie eine natürliche, rohfaserreiche Nahrung angeboten werden. Des Weiteren sollten sich im Gehege keine unverträglichen Materialien befinden, alles sollte benagt werden dürfen, weshalb ausschließlich Naturmaterialien in Reichweite der Kaninchen sein sollten. Die Zähne sollten regelmäßig kontrolliert werden, vor allem wenn das Kaninchen schlecht bis gar nicht mehr frisst, oder sogar das Futter wieder aus dem Maul fallen lässt. Im Fellwechsel bietet es sich an regelmäßig zu bürsten, damit möglichst wenige Haare abgeschluckt werden, die einen Haarballen im Magen bilden könnten. Auch 1-2ml Öl (Sonnenblumen-, Lein-, Kokosöl) oder auch Lactulose kann zu dieser Zeit vorbeugend gegeben werden.

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