Sämereien

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1. Worin besteht die allgemeine Problematik bei der Getreide- und Saatenfütterung?
2. Unter welchen Bedingungen ist die Fütterung von Sämereien ratsam und woher weiß ich, welche Menge die Richtige für meine Kaninchen ist?
3. Welche Sorten sind besonders geeignet und warum?
4. Welche Sorten sind eher schädlich und sollten gemieden werden?

Über die Fütterung von Sämereien und/oder Getreide gibt es immer wieder kontroverse Diskussionen, wobei oft viel Halbwissen zur Geltung kommt. Während die einen Kaninchenhalter nahezu aufschreien, wenn das Wort „Getreide“ fällt, da es ja grundsätzlich schädlich sei, füttern andere Kaninchenhalter Sämereien, da sie irgendwann einmal gehört haben, dass dies möglich sei und die Kaninchen fressen sie ja auch so gerne, wodurch sie letztendlich unnötig verfetten.

Im Folgenden soll also ein Augenmerk auf die generelle Problematik bei der Saatenfütterung, die Bedingungen, wann eine Zufütterung von Sämereien überhaupt sinnvoll ist und schließlich auch auf geeignete und weniger geeignete Sorten gelegt werden, wobei stets ausschließlich von unbehandeltem (!) Getreide die Rede ist und nicht von verarbeiteten Formen wie z. B. Pellets oder gar Fertigfutter aus dem Supermarkt o. Ä., da diese die Verdauung der Kaninchen nachhaltig schädigen würden. 

Allgemeine Problematik:
Die Problematik bei der Zufütterung von Getreide in der Kaninchenernährung ist in erster Linie der hohe Stärkegehalt in den Getreidesorten. Stärke ist ein Kohlenhydrat, welches im Laufe des Verdauungsprozesses zu Glukose, also Zucker, gespalten wird, welcher über die Blutbahn in die Zellen des Körpers gelangt und dort als Brennstoff fungiert. Getreide und Saaten sind also in erster Linie Energielieferanten. Das ist nicht weiter verwunderlich, schließlich soll aus einem kleinen Korn eine große Pflanze werden. Ein weiteres Problem ist der Gehalt an Gluten oder auch dem sogenannten Klebereiweiß, wie es vor allem in Roggen, Weizen, Dinkel, Grünkern, Kamut, Einkorn und Emmer vorkommt, welches dort in einer bestimmten Kombination vorliegt, welche die sogenannte Zöliakie oder auch Glutenunverträglichkeit hervorruft, was eine chronische Erkrankung der Darmschleimhaut bedeutet. Jedoch ist trotz der „schlechten“ Inhaltsstoffe offensichtlich, dass auch Wildkaninchen in ihrer natürlichen Umgebung auf den Feldern Getreide und somit Stärke und Klebereiweiß zur Verfügung steht, welches von ihnen aufgenommen wird – ob nun leicht verdaulich oder nicht. Auch bei unseren Hauskaninchen lässt sich beobachten, dass Kaninchen, welche diese Futtermittel gewohnt sind, ein gewisser Anteil an Getreide und Saaten in der Ernährung keine Probleme bereitet. Die stark konzentrierten Kohlenhydrate in Getreide hemmen jedoch die Ausschüttung von Motilin, einem Enzym, das für die Darmeigenbewegung, also dem Weitertransport der Nahrung, zuständig ist. Dadurch sinkt die Darmmobilität und bietet einen Faktor zur Entstehung von Verdauungsproblemen. Kommen weitere Faktoren wie Stress, Schmerz, Parasiten oder andere Krankheiten dazu, kann die Verdauung vollständig zum Erliegen kommen.

Aufgrund des hohen Energiegehaltes und wegen zahlreicher wertvoller Inhaltsstoffe in Saaten, wie z. B. Eiweiße, ungesättigte Fettsäuren, verschiedene Vitamine und Mineralien, ist es in bestimmten Fällen durchaus sinnvoll, auf Saaten als Ergänzung für die Kaninchenernährung zurückzugreifen. Auch hier spielt jedoch die Gewohnheit bzw. die sanfte Umstellung eine zentrale Rolle, denn bei einer zu abrupten Futterumstellung werden ja bekanntlich selbst essentielle Futtermittel wie Wiese oder blättriges Gemüse nicht vertragen. Nicht anders verhält es sich bei den Sämereien. Außerdem gilt es, immer im Hinterkopf zu behalten, dass Saaten die Kaninchen sehr schnell verfetten lassen und zudem sehr schnell satt machen, wodurch bei Überfütterung die Gefahr besteht, dass zu wenig anderes Futter aufgenommen wird, wodurch der Nahrungsbrei zu lange im Darm verbleibt und dort den Nährboden für pathogene Keime bildet, die sich negativ auf die Verdauung auswirken. Es ist also wichtig, Sämereien niemals in zu großem Ausmaß anzubieten, sodass das Frischfutter (Pflanzen & Kräuter und Gemüse & Obst) in den Hintergrund geraten könnte, welches natürlich stets die Grundlage für eine gesunde Kaninchenernährung darstellt.

Wann ist das Verfüttern von Sämereien sinnvoll?
Auf keinen Fall sollten Saaten als Ersatz von handelsüblichem Trockenfutter verfüttert werden! Nicht für jedes Kaninchen ist dieselbe Zusammensetzung und dieselbe Menge an Sämereien geeignet. Viele verschiedene Faktoren wie Rasse, Größe, Gewicht, Ausmaß der Bewegungsmöglichkeiten, Alter und gesundheitlicher Allgemeinzustand beeinflussen die Nahrungsverwertung eines Kaninchens und entscheiden, ob eine Zufütterung von Sämereien sinnvoll ist oder nicht und wenn ja, in welcher Menge. Allgemein ist es sinnvoll Kaninchen, die viel Energie benötigen, durch die Zufütterung von Sämereien zu unterstützen. Bevor man auf Saaten zurückgreift, sollte man aber kontrollieren, ob die Kaninchen ihr Gewicht auch ausschließlich mit einer Frischfutterfütterung halten können und nicht direkt nach der Größe des Kaninchens entscheiden. Viele große Rassen müssen nämlich gar nicht zugefüttert werden, wenn die restliche Futtermenge stimmt. Aus purer Bequemlichkeit oder nur weil es gerade im Trend zu sein scheint, sollte man nicht auf Saaten zurückgreifen, da diese, wie bereits erwähnt, auch negative Seiten haben.

Viel Energie brauchen
– Kaninchen in Außenhaltung im Winter
Säugende und trächtige Kaninchen
– Tiere im Wachstum
Untergewichtige Kaninchen
– Gestresste Kaninchen

 

Dazu kommt, dass jedes Tier individuell sehr unterschiedlich Fett ansetzt, sodass auch die persönliche Erfahrung und der gesunde Menschenverstand helfen sollten, die angemessene Menge an Sämereien für seine Kaninchen zu bestimmen. Ein ungefährer Richtwert ist 1 Esslöffel pro Kaninchen am Tag, wobei die oben genannten Faktoren bedacht werden sollten. So benötigt z. B. ein Zwergkaninchen in Innenhaltung Sämereien generell gar nicht, sofern kein Untergewicht o. Ä. vorliegt, sondern höchstens als Leckerli zwischendurch, wohingegen ein deutscher Riese in Außenhaltung Sämereien im Winter schon eher braucht, um sein Körpergewicht aufrecht zu erhalten. Eine gute Kontrolle, ob zu viel oder zu wenig gefüttert wird, bietet regelmäßiges Wiegen.

Geeignete Sorten
Der Begriff „Getreide“ ist zunächst einmal nur ein allgemeiner Sammelbegriff für speziell kultivierte Gräserarten, deren Schließfrüchte uns als Körner bekannt sind. Es ist also eine starke Differenzierung notwendig, da alle Getreidesorten unterschiedlich zusammengesetzt sind und somit ist nicht jede Sorte gleich gut für jedes Kaninchen geeignet.

Man unterscheidet zwischen Mehlsaaten und Ölsaaten.
Mehlsaaten weisen einen besonders hohen Stärkegehalt auf und sind damit die besseren Energielieferanten. Ölsaaten sind sehr fetthaltig und werden daher vor allem im Fellwechsel empfohlen. Auf der einen Seite „flutschen“ abgeschluckte Haare durch Ölsaaten tatsächlich besser durch den Verdauungstrakt, auf der anderen Seite verlangsamen Saaten die Darmmotorik (siehe oben).

  • Amaranth (enthält Eiweiß, Fett, Kalzium, Eisen, Vitamin B1 und Aminosäuren und ist gut verträglich)

  • Buchweizen (sehr nährstoffreich und beliebt bei Kaninchen)

  • Chiasamen (Vorsicht stark quellend! Reich an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen)

  • Dari/ Sorghum (hoher Kohlenhydratanteil mit vielen Aminosäuren)

  • Dinkel & Gerste (beide Sorten sind nur mit Spelz verfütterbar und sind ein reines Energiefutter, wobei beide Sorten in grünem bzw. unreifem Zustand gesünder sind)

  • Fenchelsamen (reich an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen)

  • Grassamen (protein- und vitaminreich mit vielen Enzymen)

  • Hafer im Spelz/Haferflocken (nährstoffreich, hoher Gehalt an Fett und Proteinen, außerdem gutes Energiefutter im Krankheitsfall)

  • Hanfsamen (reich an Vitaminen, Proteinen, Fettsäuren und unterstützen die Entgiftung)
  • Hirse (in Form von Hirsekolben aus dem Zoogeschäft besser verträglich, sehr mineralstoffreich und eine gute Alternative zu Knabberstangen)

  • Kürbiskerne (reich an Vitamin E, Eisen und Fettsäuren)

  • Leinsamen (besonders empfehlenswert im Fellwechsel, reich an Vitamin E und Fettsäuren)

  • Mais (sollte gebrochen oder als Maisflocken gegeben werden, da die Körner sehr hart sind, sehr hoher Kohlenhydratanteil)

  • Mariendistelsamen (wirkt unterstützend auf die Leber)

  • Mohn (kleine Mengen; reich an Vitamin E und Fettsäuren)

  • Negersaat (hoher Fett- und Proteinanteil, gutes Kalzium-Phosphor-Verhältnis)
  • Quinoa (reich an Nährstoffen, Fettsäuren, Mineralien, Proteinen und Spurenelementen)

  • Schwarzkümmel (wirkt unterschützend auf das Immunsystem)

  • Sesam (enthält Kalzium, Phosphor, Aminosäuren, Fettsäuren und Vitamin E)

  • Sonnenblumenkerne (gut verträglich, sollten geschält verfüttert werden; energiereich, enthalten Vitamin E, Mineralien, Amino- und Fettsäuren)

Sämereien bekommst du besonders günstig in Drogeriemärkten, Zoogeschäften, teilweise im Supermarkt und auch im Internet

Ungeeignete Sorten
– Reis (wäre nur mit Spelz verfütterbar, in dieser Form ist er bei uns jedoch nirgends erhältlich)
– Roggen (extrem mangelhafte Verträglichkeit)
– Weizen (extrem mangelhafte Verträglichkeit)


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