Freilandhaltung von Kaninchen – Ein Bericht vom Haustieranzeiger

Freilandhaltung von Kaninchen

Bericht vom Haustieranzeiger 2007
Autorin: Verena Stiess
Mehr unter: www.freilaufkaninchen.de

Wir lieben Kaninchen, oder? Warum halten wir das, was wir lieben, denn in Käfigen gefangen? Liebe sei ein Kind der Freiheit, sagte mal ein Frommer. Warum werden Kaninchen dann eingesperrt, Hunde, Katzen, Enten und Gänse hingegen dürfen frei laufen?

Viele Kaninchenhalter(-innen) bestizen einen wunderschönen, weitläufigen Garten und realisieren während anhaltender Schönwetterperioden temporär eine Form von Miniaturfreilauf für ihre Kaninchen, aber so richtig auf Dauer ins Freie setzen auch Kaninchenliebhaber ihre Hoppeltiere meist nicht. Dabei ist hinreichend bekannt, dass gerade Platzmangel oder ständiger Revierwechsel (=Herumtragen vom Innen- in das Außengehege) ebenso wie künstliche, unnatürliche Lebensräume Mitursache vieler Probleme sind. So lässt sich fragen, ob es nicht Alternativen zur gängigen Kaninchenhaltung in Käfigen gibt, die sich tierartgerechter gestalten. Betrachten wir das, was bislang als Freilauf für Kaninchen angeboten wird, so finden wir hier meist noch viel Geld von Maschendraht umstannte Gestelle aus Latten und Stangen, abgedeckt mit Bitumen, mehr oder weniger beweglich auf ebener Wiese, oder noch durchdachter, auf Betonplatten oder Gitterrosten errichtet, damit das Tier sich nicht nach unten durchbuddeln kann. In solchen Hochsicherheitsgefängnissen sinkt die Lebensqualität für alle Lebewesen bekanntlich rapide. Langeweile, Frust, Stress, Aggression oder letzendlich auch Resignation sind bei den bewegungsfreudigen, neugierigen, aber auch sehr eigenwilligen, schwer durchschaubaren Kaninchen programmiert. Es müsste doch möglich sein, zumindest den als Haustier gehaltenen Kaninchen mehr Freiraum zur persönlichen Entfaltung zu gewähren.

Deswegen sind wir vor zwei Jahren angetreten, unseren Kaninchen im naturbelassenen Garten 365 Tage im Jahr durchgehend bei jedem Wetter Freilauf zu gewähren. Der Garten besteht teilweise aus einer hügeligen, mit Büschen, Sträuchern und Bäumen dicht bewachsenen Landschaft. Gerade solche Unterschlüpfe und Erhebungen sind für Kaninchen interssant. Diese natürlichen Gegebenheiten wollten wir unbedingt in das Kaninchenrevier miteinbeziehen. Aber wie sollten wir so ein unebenes Gelände kaninchensicher einzäunen ohne in den natürlichen Bewuchs einzugreifen? Beim örtlichen Landmaschinenhändler sind wir dann fündig geworden. Dort sind kostengünstig flexible Elektrozaunnetze für die Freilandhaltung von Schafen, Kücken, Hühner, Enten und auch Kaninchen erhältlich. Nach mehreren Anläufen und Tests sind wir auf das hochwertige, unverwüstliche Geflügelnetz der Firma horizont gestoßen. Mit diesem flexiblen Zaun haben wir zunächst ein Revier (Weide) von ca. 300qm abgesenkt, in das die Kaninchen von Sonnenaufgang bis zur Dämmerung eigenständig gehen können. Da sich ein Weidezaun hügeligem, unebenem Gelände angepasst, war die Einfriedung an sich und Ausgrenzung vom Gemüsebeet kein Problem. Ein solcher 50 Meter langer Zaun ist innerhalb weniger Stunden voll instaliert. Auf ihrer Weide können unsere Kaninchen den ganzen Tag grasen, springen, sprinten, Haken schlagen und sich bei drohender Gefahr unter den Büschen verstecken. Vorallem in den Morgenstunden und in der Vorabendzeit sind Kaninchen aktiv. In dieser Zeit wollen sie nicht nur viel fressen, sondern auch ihrem Bewegungsdrang nachgeben. Bei Einbruch der Dämmerung gehen unsere Kaninchen selbstständig wieder ins Haus, weil dort immer um diese Zeit die breite Schale mit Haferflocken gefüllt wirdm was schließlich keiner der Langohren verpassen will. Mit ein wenig Übung, einem 3-Wege-Kaninchentürchen und konsequenter Fütterung (=rationierte Getreidefütterung nur abends) kann jedes Kaninchen solche Verhaltensweisen erlernen.

Das kontraproduktive, nicht vertrauenerweckende Einfangen, Hochheben, Herumtragen und Einsperren von Kaninchen ist bei einer menschenbezogenen Freilaufhaltung zu keinem Zeitpunkt erforderlich. Freie, selbstbewusste und stets wohlwollend behandelte Kaninchen haben sogar die Bereitschaft, vom Menschen zu lernen, sind also in gewissem Maße erziehbar. Da Kaninchen von Natur aus (bzw. aus Erfahrung) dem Menschen gegenüber scheu und eher misstrauisch sind, erfordert das Sichvertrautmachen mit einem Kaninchen viel Zeit und Einfühlungsvermögen. Bezüglich der freien Haltung der Kaninchen wurden damals von allen Seiten viele Horrorszenarien gezeichnet. Die Angst vor Fluchtversuchen oder vor Übergriffen von außen ist riesengroß. So hieß es hier vor zwei Jahren, dass die ortsüblichen Milane oder Bussarde vom Himmel stächen, deren Lieblingsgericht natürlich Kaninchen seien, auch Fuchs, Marder und Wiesel haben das Hopsgetier zum Fressen gern. Kaninchen so frei gehalten würden deswegen keinen Monat überleben, überhaupt sei dies alles insgesamt unverantwortlicher Leichtsinn! Weitere Hiobsbotschaften waren, dass Kaninchen noch schlimmer als 10 Maulwürfe graben, den Weidezaun überspringen oder untertunneln würden. Konkrete Erfahrungswerte konnte uns keiner beisteuern.

Wir haben uns keine Sorgen gemacht, sondern vielmehr Gedanken darüber, wie wir die Umgebung für unsere frei laufenden Kaninchen sicher machen können. Der durch einen elektrischen Weidezaun abgegrenzte Außenbereich ist zwar ein gut funktionierendes Rückhaltesystem für Kaninchen. Leider stellen solche Netze für die Kaninchen keinen vollkommen gestützten Raum dar, wenn die Umgebung nicht kaninchensicher ist.

Es bedarf also zusätzlich verschiedener Sicherheitskomponenten, um die Kaninchen vor Fressfeinden und anderen schädlichen Einflüssen von außen zu bewahren. Dem scheuen, vorsichtigen Fluchttier Kaninchen sollte man z. B. mit ausreichend vielen Versteckmöglichkeiten in seinem Gartenrevier gerecht werden. Wenn natürliche Versteck- und Fluchtorte im Garten kaum oder gar nicht vorliegen, kann mit einfachsten Mitteln eine natürliche Erlebnislandschaft gezaubert werden, z. B. durch das Pflanzen von Büschen und durch den Abschied vom glattrasierten Golf-, Sport- und Spielrasen. Wildwiesengras nicht gleich abmähen, sondern hoch wachsen lassen, dann können sich Kaninchen im hohem Gras verstecken – die Tiere werden ihre Freude daran haben. Ein bisschen Wildnis trotz nörgelnder Nachbarn erhöht nicht nur Ihr Durchsetzungsvermögen, sondern auch den ökologischen Wert der gezielten Verwilderung, was wiederum als vermehrte Futtergrundlage den Kaninchen zum Vorteil gereicht und auch vielen anderen Wildtieren (Igeln, Vögeln, Kröten, Salamander, Blindschleichen) nützt. Kaninchengerechte Fluchtorte und Unterschlupfe können ebenso einfache Holzkisten, Gartenbänke, Holzstapel oder aufeinander gestapelte Paletten sein wie ein aufgetürmter Haufen frisch geschnittener Haselnusszweige. Solange sich Kaninchen unentdeckt und sicher fühlen, ist Stress im Gehege nicht zu befürchten. Nun muss die Umgebung um das Kaninchenrevier tatsächlich kaninchen- und nachbarschaftssicher sein. Sicher sind Kaninchen in erster Linie, so lange sie von Fressfeinden ganz real unentdeckt bleiben. Folglich soll das durch den Weidezaun abgestecktes Gelände möglichst uneinsehbar sein oder so gestaltet werden, möglichst auch ohne weithin verlockend riechenden Kaninchenmisthaufen darum herum. Falls Ihr Grundstück allerdings verkehrsnah und gut einsehbar gelegen ist, oder falls mit Hunden u. a. Räubern zu rechnen ist, dann kann nur ein ausreichend hoher, stabiler Zaun vor Übergriffen und tierischen und menschlichen Räubern schützen. Leider sind viele Lebensräume Deutschlands für die Freilandhaltung von Kaninchen ungeeignet. Es wäre dort wünschenswert, auch für die dort wohnenden Menschen deren Wohn- und Lebensqualität zu verbessern. Kaninchen möchten ihr Revier selbst (mit-) gestalten. Insbesondere junge Kaninchen wollen ihre Umgebung erkunden und mit ihren Zähnchen erknabbern. Die frischen Knospen abzwicken, Baumrinden abnagen, Löwenzahnblättchen, Butterblumen und andere wohlschmeckende Kräuter auf der Wiese zupfen sowie wild sprießenden Brombeeren oder sonstigen Büsche herabzuziehen – das erfüllt ganz offensichtlich Kaninchenherzen. Demnach benötigt ein Kaninchen im eingezäunten Garten ausreichend Beschäftigung und natürliche Gestaltungsmöglichkeit. Schenken Sie Ihren Kaninchen ein interessantes Stückchen Natur zur freien Verfügung. In vielen Fällen wird den Kaninchen ein kleines, exponiertes Stück ebene, glatt gemähte Wiese angeboten, mit dem diese Tiere auf Dauer nicht zufrieden sind und über kurz oder lang versuchen werden, aus dem für sie nicht zufriedenstellenden Lebensraum zu entkommen. Ein flexibler Weidezaun ist hier die günstigste und einfachste Möglichkeit, den Kaninchen mit geringen Zeit-, Material- und Arbeitsaufwand ein natürliches Revier abzustecken.

Das Prinzip des elektrischen Weidezauns hat sich bei uns bewährt. Alle unsere Kaninchen (und Gasttiere) kamen anfangs nur ein- oder zweimal oder auch zu keinem Zeitpunkt mit dem Elektrozaun in Kontakt, weil sie dem Stromimpuls in der Nähe des Zauns schon spüren. Der Elektrozaun als Kaninchenlandesgrenze muss jedoch bei den Tieren richtig eingeführt werden. Die mit einem Elektrozaun eingezäumte Weidefläche für Kaninchen sollte jedoch ausreichend groß und der Weidezaun als Schutz vor Fressfeinden mindestens 100cm hoch sein. Mit dem grellgelben Geflügelnetz von horizont haben wir die besten Erfahrungen gesammelt. Keines unserer 14 Kaninchen hat je einen Fluchtversuch in irendeiner Form (z. B. Untertunnelung oder Überspringen des Elektrozauns) gestartet. Von der Maschendichte und der Anordnung der Maschen ist das Netz so strukturiert, dass kleine wie große Fressfeinde von Übergriffen abgehalten worden sind. Eine garantierte Sicherheit gibt es jedoch auch hier nicht. Wie in jeder XXL-Familie wird die Rollenverteilung, insbesondere bei pubertierenden Kerlen und zickigen Weibern, zuweilen durch kleine, bei uns bis dato harmlose Kämpfe geklärt. Ein genügend großer Freiraum, ausreichend viele Rückzugsmöglichkeiten, Kastrationen und die ununterbrochene Gruppenhaltung (= also keines der Tiere isolieren) im vertrauten Revier sorgen für ein geregeltes Miteinander innerhalb der Sippe. Dabei ist sehr wichtig, dass die Autorität des Rammlers sowie der Leithäsin auch vom Halter / Betreuer respektiert wird.

Wichtige Anmerkung: Reine Innenhaltungs-Kaninchen sollten nicht vor dem warmen Frühling (Mai) an die Freilaufhaltung gewöhnt werden! Dann können sie sich an die kommenden verschiedenen Jahreszeiten erst körperlich anpassen und sich zum Herbst / Winter auch genügend Winterfell und Energiereserven für die kalte Jahreszeit zulegen.