Röntgenbild von Kaninchen mit verkalktem Nierenbecken (links) und Harnleiterstein (rechts)
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Allgemeines
Leider begünstigt der besondere Kalziumstoffwechsel des Kaninchens die Bildung von Harngrieß und Harnsteinen. Denn bei Kaninchen wird Kalzium nicht, wie bei anderen Tieren, nach Bedarf aus dem Darm resorbiert und das überschüssige Kalzium mit dem Kot ausgeschieden, sondern es wird zunächst alles Kalzium resorbiert und das Überschüssige wird dann in der Niere aus dem Blut gefiltert und über den Harn abgegeben. Dadurch wird Kalzium beim Kaninchen fast ausschließlich über die Harnwege ausgeschieden, bei denen es auch einige Engpässe und somit ideale Ablagerungsstellen zu bewältigen gilt. Dazu kommt, dass der pH von Kaninchenurin alkalisch ist, also über dem Neutralwert von 7. Dieser pH-Wert begünstigt die Kristallausfällung von Kalzium im Harn. Bei dieser Kalziumablagerung entsteht dann der sogenannte Grieß, der sich in der Harnblase sammeln oder zu Steinen in den Harnleitern (führt von der Niere zur Harnblase), Harnröhre (führt von der Harnblase bis zum Ausgang) oder Nieren bzw. Nierenverkalkung führen kann.
Wichtig: Überall wo Harngrieß gefunden wird, können bereits auch schon kleine Harnsteine vorhanden sein!
Durch die extrem raue Oberfläche der Steine haften sie sehr fest an der Schleimhaut des Harntrakts und bleiben dadurch schnell stecken. Die raue Oberfläche bietet zudem eine optimale Grundlage zur Ablagerung weiterer Kristalle. Dadurch vergrößern sich die Steine immer mehr und werden immer schmerzhafter. Zudem können sie für einen kompletten Verschluss und daraus resultierendem Harnrückstau bis zur Niere führen, was dann eine Nierenentzündung und letztlich Niereninsuffizienz zur Folge hat.
Der Urin von Kaninchen sollte gelblich und leicht trüb sein.
Ursache
Meist ist die Ursache fütterungsbedingt durch das Anbieten von einem Salzleck- oder Mineralstein, Trockenfutter oder eine sehr kalziumlastige Ernährung. Zu kalziumhaltigen Futtermitteln gehören Luzerne, Kohlrabiblätter, Möhrengrün, Petersilie, Brokkoli, Löwenzahn, Grünkohl, Spinat, Mangold und ganz besonders Getrocknetes, also Trockenkräuter, Trockengemüse, Mehlsaaten und auch Heu.
Negativ damit verknüpft ist eine verringerte oder mangelnde Wasseraufnahme, weil entweder zu wenig Frisches gefüttert wird, oder das Wasser schlecht angeboten wird, wie z. B. in einer Trinkflasche, aus der sich das Kaninchen sein Trinkwasser Tropfen für Tropfen erarbeiten muss. Da Kaninchen sowieso schon eher wenig Wasser trinken, nehmen Kaninchen, die nur eine Trinkflasche zur Verfügung haben, sehr häufig leider viel zu wenig Flüssigkeit zu sich.
Des Weiteren können auch Nierenprobleme eine Kalziumausfällung durch eine schlechte Filterung verursachen. Verkalkt das Nierenbecken, kann die Verkalkung auch nach und nach weiterrutschen und dann den Harnleiter verschließen.
Wenig Bewegung und eine unsaubere oder nasse Haltung können für aufsteigende Infektionen sorgen und so ebenfalls einen Teil dazu beitragen.
Symptome
Liegt anfangs erst wenig Grieß vor, verläuft das Krankheitsbild oft symptomlos. Durch die mechanische Reizung des Harngrießes an der Blasenwand kann aber eine Blasenentzündung ausgelöst werden. Die Symptome hierzu sind Schmerzsymptome (aufgekrümmter Rücken, knirschen mit den Zähnen, Fressunlust…) beim Harnabsatz und dabei extremes Anheben des Hinterteils, feuchte, heiße, gerötete Haut um die Genitalregion, durch den herauströpfelnden Harn und Wundlecken, außerdem ein schmerzhafter Bauch beim Abtasten und sehr häufiger Harnabsatz mit wenig Urin. Oft kommt es auch zum Fellverlust in der Anogenitalregion und den Schenkelinnenseiten. Meist sind die Kaninchen auch nicht mehr stubenrein, wenn sie es vorher waren.
Der Urin selbst ist sehr trüb, gelbbraun, richtig weiße Färbung und von sandiger-schlammiger Konsistenz. Blutiger Harn weißt auf viele Entzündungszellen und/oder eine Verletzung durch die mechanische Beanspruchung der Harnwegsschleimhaut hin.
Bei Grießbildung im hohen Ausmaß, kann diese von erfahrenen Tierärzten als teigiger Blaseinhalt ertastet werden.
Wenn ein Stein die Blase verschließt oder in der Harnröhre liegt, hat das Kaninchen einen prallen Bauch durch eine randvolle Blase und häufig Untertemperatur. Dazu kommt Apathie und tröpfelnder bis gar kein Urinabsatz mehr, aber man kann ständiges Pressen beobachten, bei dem Versuch irgendwie Harn abzusetzen.
Falls die Nierenregion betroffen ist, zeigt sich das auch an klarem, weißlichem oder mit Schlieren durchsetztem Urin und starken Schmerzäußerungen.
Behandlung
Zunächst ist es wichtig, sich mittels Röntgenbild oder Ultraschall einen Überblick zu verschaffen, wo Grieß und/oder Steine vorliegen und welche Menge davon. Aufschlussreich kann auch ein Urintest sein, dazu sollte die Blase hängend vom Tierarzt ausmassiert werden, da Grieß der Schwerkraft folgt und ansonsten am Blasenboden bleiben würde, wenn man dem Kaninchen in seiner normalen Haltung die Blase ausmassiert.
Danach sollte der Tierarzt die Blase spülen, um den Grieß weitgehend zu entfernen. Außerdem ist eine Flüssigkeitszufuhr in Form von Infusionen und das Anbieten von Blasennierentee sehr wichtig, damit die Niere und die ableitenden Harnwege gut durchgespült werden. Um die Flüssigkeitsaufnahme zu fördern, können auch stark verdünnte zucker- und zusatzfreie Säfte (z. B. Karottensaft) angeboten werden und falls möglich auch kalziumarmes Trinkwasser (stilles Mineralwasser). Auch Rodicare Uro wirkt unterstützend.
Falls erforderlich sollten auch Schmerzmittel und ein Antibiotikum gegeben werden, falls eine Entzündung diagnostiziert wurde.
Was die Ernährung angeht, empfiehlt sich kräuter- und luzernefreies Heu (Timothy-Heu). Besonders kalziumreiche, frische Pflanzen wie Karottengrün, Kohlrabiblätter, Küchenkräuter, Spinat, Brokkoli, Fenchel, Grün-/Braunkohl, Mangold, Stielmus, Portulak und Hagebutten können weiterhin gelegentlich verfüttert werden, sollten im Futterplan aber nicht überwiegen.
Trockenkräuter, Trockengemüse und Mehlsaaten dagegen, sollten bis auf weiteres gestrichen werden, ebenso sollte Mineral-/Salzlecksteine entfernt und gut zugängliches Wasser im Napf angeboten werden. Außerdem sollte generell Futter mit mehr Wassergehalt verfüttert werden, damit Grieß in Zukunft besser ausgeschwemmt werden kann, also vor allem Blättriges, wie Salate, Kohl, Stangensellerie, Gurke und vor allem Wiese.
Auch harntreibende Pflanzen wie Brennnessel (1h anwelken lassen), Estragon, Kerbel, Löwenzahn, Birkenblättern und -rinde, Ackerschachtelhalm, echtes Goldrutenkraut oder Riesengoldrutenkraut, Goldrute, Liebstöckel oder auch Spargel und Petersilienwurzel können unterstützend wirken.
Ansonsten ist es noch gut, einen warmen Platz anzubieten, falls das Kaninchen Untertemperatur hat.
Da der Harn-pH so stark alkalisch ist, lässt er sich leider nicht, wie bei Hund und Katze, mittels Vitamin C Präparaten ansäuern, sodass es zu weniger Kalziumausfällungen kommen würde.
Konnten Harnsteine oder eine verkalkte Niere im Röntgenbild festgestellt werden, muss abgeklärt werden, wie funktionstüchtig die Nieren noch sind und ob sie eventuell schon Schaden genommen haben. Die Nierenwerte werden mittels Blutbild überprüft.
Ein Stein muss in jedem Falle entfernt werden. Kleine Steine können oft durch eine Infusionstherapie rausgespült werden, größere können nur mittels OP entfernt werden. Hier sollte man lieber zu früh als zu spät handeln, falls sich der Stein noch vor/in der Blase befindet. Denn wandert der Stein zum Blasenausgang oder Penis, kann man aufgrund der schweren Zugänglichkeit nicht mehr operieren. Bei Weibchen bestehen in einem solchen Fall durchaus bessere Chancen als bei einem männlichen Tier, da man den Stein ggf. noch mit einer Pinzette erreichen kann. Es verbleibt einzig noch die Möglichkeit zu versuchen, ob der Stein noch zurück in die Blase geschoben werden kann, was durch die raue Oberfläche und das Einwachsen in die Blasenschleimhaut oft unmöglich ist.
Hier sind Schmerzmittel und Antibiotikum in der Therapie unverzichtbar!
Kann ein Stein nicht entfernt werden, kommt es zu einem Harnrückstau und die Blase platzt, in einem solchen Fall, kann man das Kaninchen leider nur noch von seinen Leiden erlösen.
Befindet sich ein Stein/Verkalkungen in einer Niere, sollte die ganze Niere entfernt werden, da sich die Niere sonst durch den Harnrückstau weiter entzünden, nicht mehr funktionsfähig sind und vor allem durch Schmerzen für eine massive Störung des Allgemeinbefindens sorgen können. Eine Niere kann die volle Leistung der anderen mit übernehmen, sodass es kein Problem darstellt, die Erkrankte zu entnehmen. Sind allerdings beide Nieren betroffen, kann die Möglichkeit erwogen werden, die Nieren ausschaben zu lassen. Oftmals ist dies aber nicht möglich, dann sollte das Tier erlöst werden.
Schutz
Vorbeugend wirkt eine ausgewogene wasserhaltige und nicht zu kalzium- und oxalatlastige Fütterung, sowie die oben genannten Pflanzen: Kräuter wie Brennnessel (1h anwelken lassen), Estragon, Kerbel, Löwenzahn, Birkenblättern und -rinde, Ackerschachtelhalm, Liebstöckel, echtes Goldrutenkraut oder Riesengoldrutenkraut, Goldrute, Petersilienwurzel oder Spargel (falls sie welchen fressen). Heu sollte man niemals reduzieren, da ein gewisser Kalziumwert (5-6g/kg Trockensubstanz) auch nicht unterschritten werden darf, da das vom Körper benötigte Kalzium sonst den Knochen und Zähne entzogen wird und diese dann porös werden.
Mineral-/Salzlecksteine sollten den Kaninchen nicht zur Verfügung stehen, Wasser im Napf anbieten und die Kaninchen in einer sauberen und trockenen Umgebung halten.
Kaninchen, die immer wieder zu Grieß und Steinen neigen, können 20mg Magnesium-L-Hydrogenaspartat pro kg und pro Tag ins Mäulchen bekommen. Dieses sorgt für eine verminderte Kalzium- und Oxalatresorption im Darm.
Am besten ist es immer frühzeitig zu reagieren und es von Harngrieß nicht auch noch zu Harnsteinen kommen lassen. Wenn möglich schaut man sich so oft es geht den Urin an, ob er optisch noch normal aussieht und beobachtet das Harnabsatzverhalten seiner Kaninchen, sofern das möglich ist.
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