Haltung mit Meerschweinchen

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Immer wieder sieht man ein einzelnes Kaninchen, das ein Meerschweinchen als Partner hat. Leider ist diese Haltung immer noch sehr verbreitet. Es ist ein trauriger Anblick, auch wenn es so aussieht, als seien die beiden glücklich miteinander.

Beide Tierarten haben verschiedene Bedürfnisse, sowohl in der Körpersprache, als auch im Sozialverhalten. Die Notgemeinschaft zwischen Kaninchen und Meerschweinchen entsteht aus voller Verzweiflung und Einsamkeit. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen.

„Die Tiere kuscheln so schön miteinander, man sieht, dass sie glücklich sind.“

„Der Verkäufer im Zoofachhandel hat uns diese Haltungsform empfohlen.“

„Sie leben jetzt schon so lange zusammen, ich möchte sie nicht mehr trennen.“

„Ich erspare mir die Kastration des Kaninchens, wenn ich ihm als Partner ein Meerschweinchen gebe.“

„Zumindest ist mein Kaninchen/mein Meerschweinchen nicht ganz allein.“

„Zwei Kaninchen bräuchten ja mehr Platz, den habe ich leider nicht.“

„Das Kaninchen putzt das Meerschweinchen sogar, das ist doch ein Freundschaftsbeweis.“

„Argumente“ wie etwa die oben genannten sollen anscheinend für diese Haltungsform sprechen. Doch betrachte die Situation einmal realistisch aus der Sicht eines Kaninchens oder eines Meerschweinchens:

Argumente gegen die Gemeinschaft zwischen einem Kaninchen und einem Meerschweinchen:

  • Kaninchen sind dämmerungs- und nachtaktiv. Ihre Ruhephase ist hauptsächlich am Mittag/Nachmittag. Meerschweinchen hingegen sind tagaktiv.

  • Kaninchen sitzen gerne auf erhöhten Flächen, um alles „im Blick“ zu haben. Meerschweinchen suchen allerdings überwiegend Schutz in Ecken.

  • Kaninchen rammeln Artgenossen – unabhängig vom Geschlecht. Dieses Verhalten begründet sich auf einem Paarungstrieb oder Dominanz. Dies kann für das Meerschweinchen jedoch sehr gefährlich werden, da es dem deutlich größeren Kaninchen in Sachen Kraft deutlich unterlegen und somit vollkommen wehrlos gegen derartige Attacken ist. Die Folge können beispielsweise Rippenbrüche beim Meerschweinchen sein. Auch der Nackenbiss, der beim weiblichen Kaninchen den Eisprung auslösen soll, kann dem Meerschweinchen starke Schmerzen zufügen oder sogar das Genick brechen.

  • Kaninchen sind von Natur aus viel aggressiver als Meerschweinchen, die meist sofort flüchten und versuchen, sich zu verstecken.

  • Kaninchen lieben es, zu buddeln und zu graben, da sie von Natur aus Höhenbewohner sind. Meerschweinchen halten sich gerne in Mulden auf.

  • Kaninchen kuscheln miteinander und putzen sich gegenseitig. Dies ist wichtig für ihre sozialen Kontakte und die Kommunikation untereinander. Meerschweinchen leben eher auf Distanz, kuscheln sich nur bei Angst oder wenn sie noch sehr jung sind aneinander und lecken niemals ihre Artgenossen ab. Es wird sich vom Kaninchen bedrängt fühlen und könnte sogar aggressiv reagieren. Das Kaninchen hingegen wartet vergebens auf eine Erwiderung.

  • Kaninchen bewegen sich wesentlich mehr. Sie hüpfen, toben, springen, rennen und hoppeln für ihr Leben gern. Meerschweinchen trippeln von einem Unterschlupf zum anderen. Beim „Haken schlagen“ des Kaninchens kann das Meerschweinchen durch Tritte verletzt werden.

  • Kaninchen verständigen sich mit Gebärden, die Meerschweinchen nicht zu deuten wissen. Meerschweinchen hingegen benutzen zur Verständigung ihre sehr ausgeprägte und komplexe Lautsprache. Ein Kaninchen kann dies nicht verstehen und egal, wie oft das Meerschweinchen auch ruft, es wird ihm nicht antworten können. Das Meerschweinchen wird sein Leben lang nie ein Wort seiner Sprache hören. Das Kaninchen reagiert höchstens auf diesen ständigen „Lärm“ mit Stress, Frust, Resignation oder sogar Aggression. Da dem Meerschweinchen weder das Kaninchen noch der Halter antwortet, verliert es bei dieser Haltungsweise auf Dauer sein Vokabular und somit auch einen wichtigen Teil seines natürlichen Verhaltens.

  • Kaninchen wurden in Europa (Spanien) entdeckt, während Meerschweinchen ursprünglich aus Südamerika stammen. In freier Natur wären sie sich also niemals begegnet.

  • Weibliche Kaninchen werden hin und wieder scheinschwanger. Dies wäre nicht weiter problematisch, wenn da nicht das „störende“ Meerschweinchen wäre. Das Kaninchen reagiert gereizt und aggressiv, um den vermeintlichen Nachwuchs zu schützen. Das kleinere Meerschweinchen ist dem Kaninchen völlig ausgeliefert und kann sogar zu Tode gebissen werden.

  • Das männliche, unkastrierte Kaninchen wird auf das kleine Meerschweinchen losgehen und dieses permanent rammeln. Häufige Verletzungen beim Meerschweinchen sind die Folge. Dies bedeutet ständigen Stress für beide Tiere.

Wenn man genauer hinsieht, wird also klar, dass es keinesfalls artgerecht ist, ein Kaninchen und ein Meerschweinchen zusammen zu halten. Kaninchen (Hasenartige) und Meerschweinchen (Nagetiere) könnten kaum unterschiedlicher sein. Diese Haltung bedeutet für beide Tierarten dauerhaftes psychisches und physisches Leiden.

Du hast schon ein Kaninchen und ein Meerschweinchen zu Hause und möchtest nun diese Haltungsform ändern, ohne eines der Tiere abzugeben? Das ist möglich. Schau dich nach einem weiteren Meerschweinchen und einem weiteren Kaninchen um. Alle vier zusammen (oder mehr) können in einem Gehege leben, solange es für beide Tierarten artgerecht gestaltet ist. Meerschweinchen brauchen z. B. eine Rückzugsmöglichkeit, die Kaninchen nicht betreten können. Pro Kaninchen müssen mindestens 2-3m², für jedes Meerschweinchen mindestens 1m² zur Verfügung stehen.

Die beste Lösung ist allerdings, sich für eine Tierart zu entscheiden oder die beiden Gruppen getrennt zu halten.

 

Ein Tag im Leben eines einsamen Kaninchens, das nur ein Meerschweinchen als Partner hat…

Für mich begann mein Morgen, als die Sonne gerade unterging. Ich strecke und reckte mich, während mein Partner langsam immer müder wurde und sich in eine Ecke zum schlafen hinlegte. Dass mir keiner einen „Guten Morgen“ wünscht, daran habe ich mich schon lange gewöhnt, denn auch mein Pfleger, der eigentlich ein netter Kerl ist, putzt sich gerade die Zähne, um gleich ins Bett gehen zu können.

Zum Frühstück genehmige ich mir eine große Portion Heu. Die ist zwar gar nicht so schlecht, aber wenn man jeden Morgen alleine frühstücken muss, ist es nicht annähernd so lecker, wie es sein könnte. Nachdem ich mich ausgiebig geputzt habe, kuschele ich mich neben meinen Partner, um ein wenig Wärme von ihm zu erhalten. Auch wenn ich mich lieber auf eine Erhöhung setzen würde, um jede Bewegung und Veränderung im Raum mitzubekommen, entscheide ich mich für die kleine Mulde neben meinem Partner. Wie er heißt, weiß ich nicht. Egal, wie oft ich ihn frage, ich bekomme keine Antwort. Damit bringt er mich manchmal zur Weißglut. Ich glaube, Meerschweinchen sind nicht so klug wie Kaninchen, denn sonst könnte er sich ja mit mir unterhalten. Die Sonne ist nun ganz verschwunden und ich sehne mich, wie jeden Tag, so sehr nach einem Partner, der mich auch ohne Worte versteht. Ich hopple ein wenig durch den Käfig. Er ist klein, doch ich bin anscheinend der Einzige, den das stört.

Nach meinem zweiten Frühstück putze ich meinen Partner. Ich verstehe einfach nicht, dass er es nie genießen kann. Es ist der schönste Liebesbeweis, den ich ihm geben kann. Meistens macht er dann nur komische Geräusche, genauso wie jetzt. Vielleicht auch, weil ich ihn geweckt habe. Was schläft er denn auch mitten am „Tag“! Er verdrückt sich in eine andere Ecke. Doofes Meerschweinchen!

Während ich nun allein in der Ecke sitze, mich ein wenig ausruhe und ein Stückchen Apfel kaue, denke ich an andere Kaninchen. Ob es sie überhaupt gibt? Ich kann mich vage an andere Kaninchen in der Zoohandlung erinnern. Ich frage mich, wo sie wohl gelandet sind. Ich knabbere gedankenlos an dem Stück Möhre, die uns der nette Kerl schon vor einer ganzen Weile in den Stall gelegt hat. Dieses Meerschweinchen quiekt den ganzen Tag. Am Anfang habe ich mir große Sorgen gemacht. Schließlich quiekt man nur bei Todesangst. Doch ich glaube, er will mich einfach nur ärgern… Das schafft er auch immer wieder!

Mein Tag wird gleich zu Ende sein und bevor er wach wird, werde ich mich noch mal schnell über die Gurke hermachen, anschließend noch eine kleine Portion Heu. Die Sonne geht langsam auf und erst jetzt gähnt das kleine Meerschweinchen und wird langsam wach. Viel zu spät. Er hat ja alles verpasst. Ich kuschele mich erneut neben den kleinen Kerl, vielleicht hat er ja jetzt Lust zu kuscheln. Aber weit gefehlt. Er steht auf und bedient sich am Heu. Langsam fallen meine Augen zu… Ich bin so müde. In meiner Ruhephase könnte es so ruhig sein, aber da ist dieses Meerschweinchen. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf – nicht, dass ich irgendwann noch so aussehe wie er! Oh, mein Pfleger verabschiedet sich von uns. Ich glaube, er fährt nun „zur Arbeit“. So was in der Art habe ich zumindest mal gehört. Ich könnte ja das Meerschweinchen fragen, ob es mehr weiß… Ach, nein, das geht ja nicht. Immer wenn er kommt, fängt mein Partner an zu quieken! Minutenlang! Ich lasse ja viel mit mir machen, aber wenn er mich immer und immer wieder um den Schlaf bringt, raste ich halt früher oder später mal aus. Wenn ich ihn ordentlich beiße ist meistens Ruhe. Es ist ja nicht so, dass ich ihn nicht warnen würde. Aber wenn er einfach nicht auf mein Knurren reagiert, muss das halt mal sein.

Letztens mussten wir beide sogar zum Tierarzt und wir mussten lange in der Transportbox ausharren. Ich wollte mit meinem Partner spielen, um die Langeweile zu vertreiben und sprang herum. Ich wollte ihm zeigen, wie gut ich Haken schlagen kann… Tja, diese Geschichte endete bei dem bösen Mann, den die anderen „Tierarzt“ nennen… Dieses Meerschweinchen ist auch ein Weichei! Kann nichts ab und zu allem Überfluss hat er mich dann auch noch gebissen, weil er sauer war. Die Wunde tat weh, doch die Autofahrt war noch viel schlimmer, als die Schmerzen.

Da ist noch diese eine Sache… Ich bin nun mal ein ganzer Kerl und habe auch Bedürfnisse. Doch ich kann niemanden finden, der sie erwidern kann. Sogar beim Auslauf kann ich keine hübsche Kaninchendame entdecken, das macht mich immer wieder sehr traurig. Mein Partner musste deswegen auch schon öfter zum Tierarzt.

Das Meerschweinchen wird mich noch eine ganze Weile wach halten. Wenn ich ausgeschlafen bin, geht mein Alltag wieder von vorne los. Ob ich glücklich bin? Entscheide selbst!

Erfahrungsbericht Kaninchen mit Meerschweinchen (Kerstin)


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