Durchfall

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Allgemeines:
Bei Durchfall handelt es sich nicht um eine Erkrankung, sondern um ein Symptom, welches eine Erkrankung anzeigt. Durchfall, in der Fachsprache Diarrhoe genannt, kann primär (direkt durch Bakterien) oder sekundär (als Begleiterscheinung einer Krankheit) ausgelöst werden. Besonders in Jungtierbeständen sind primäre Besiedlungen mit Bakterien problematisch, da junge Kaninchen noch eine sehr instabile Darmflora haben, wo sich pathogene (krankheitserregende) Keime leichter vermehren können als bei erwachsenen Tieren. In solch einem Fall stecken die Tiere sich schnell gegenseitig an und es kommt zu großen Verlusten der Jungtiere. In jedem Fall wird Durchfall durch Stress begünstigt, da die physiologische Darmflora bei Stress schnell ins Ungleichgewicht gerät. Die Therapie sieht je nach zugrunde liegender Erkrankung vollkommen unterschiedlich aus.

Ursachen:
Allgemein entsteht Durchfall durch eine Reizung oder sogar Entzündung der Darmschleimhaut, denn dann wird Flüssigkeit nicht mehr richtig abtransportiert (osmotische Diarrhoe) oder sogar noch hinzugegeben (sekretorische Diarrhoe). Dieser Zustand kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden.

  1. Zahnerkrankungen 
    Das Kauen wird bei Zahnfehlstellungen zum einen mechanisch erschwert und oft haben betroffene Kaninchen dabei auch Schmerzen, weshalb das Kauen schnell gemieden wird, indem die Tiere weniger bis gar nichts mehr fressen. Folglich gelangen zu wenige Futterpartikel und damit zu wenig fermentierbare (von den Blinddarmbakterien umsetzbare) Rohfaser in den Magen-Darm-Trakt, wodurch es schnell zu Fehlgärungen und einer Instabilität der Darmflora kommt, d.h. pathogene Keime (v.a. E. coli und Clostridien) und Hefen vermehren sich und verdrängen Bakterien, welche für eine gesunde Verdauung essentiell sind. Dadurch kommt es zuerst zu matschigem und später auch wässrigem Kot und das Kaninchen hat Schmerzen im Bauchbereich.

  1. Fütterungsfehler und Vergiftungen
    Fehler in der Fütterung sind statistisch gesehen die häufigsten Ursachen für Durchfall. Werden die Tiere mit Fertigfutter oder zu viel Getreide gefüttert, erhalten sie zu wenig Rohfaser und dafür umso mehr Kohlenhydrate in Form von Stärke. Diese kann jedoch nicht komplett aufgeschlossen werden, da Kaninchen Pflanzenfresser (und keine Körnerfresser) sind und dementsprechend zu wenige Enzyme für eine Stärkeverdauung im Dünndarm haben. Bei übermäßiger Zufuhr gelangt also ein Großteil der Stärke in den Dickdarm. Dieser kann Stärke überhaupt nicht enzymatisch spalten. Stattdessen bildet sich schnell Laktat, wodurch der pH sinkt – das Dickdarmmilieu übersäuert. Dadurch sind die optimalen Lebensbedingungen für Bakterien, die Pflanzenfasern aufschließen, zerstört und es vermehren sich stattdessen pathogene Keime und Hefen, wodurch es zu Durchfall kommt. Derselbe Effekt ist bei zu fettreicher Nahrung (zu viele Nüsse oder Sonnenblumenkerne) zu beobachten. Auch kann eine plötzliche Futterumstellung zu Durchfall führen, denn die Darmflora ist sehr empfindlich und die Bakterien brauchen Zeit, um sich an neue Nahrung anzupassen. Ist das Futter zu stark rationiert, verbleibt es länger im Magen, da von oben nichts „nachgeschoben“ wird. Auch dadurch kann Durchfall entstehen. Vergiftungen durch nicht artgerechtes Futter wie etwa Joghurtdrops, Giftpflanzen, Schokolade oder Brot sind ebenfalls häufig die Auslöser für Durchfall.

  1. Infektionen des Magen-Darm-Trakts
    Bei Infektionen des Magen-Darm-Trakts wird zwischen einer Darmmykose und einer bakteriellen Enteritis unterschieden. Normalerweise haben Kaninchen nur eine geringe Anzahl an Hefepilzen in ihrem Darm. Kommt es durch eine Erkrankung oder Fütterungsfehler jedoch dazu, dass sich das Darmmilieu stark verändert, vermehren sich die Hefen stark (v.a. Saccharomycoptes guttulatus) und es liegt eine Darmmykose vor. Dies kann allerdings nur passieren, wenn die Darmflora geschädigt ist, also bei kranken Kaninchen. In einem gesunden Kaninchendarm können Hefepilze sich nicht übermäßig vermehren. Eine bakterielle Enteritis kann entweder primär durch direkte und ansteckende Besiedlung bei Jungtieren oder häufiger sekundär durch eine instabile Darmflora bei erwachsenen Tieren ausgelöst werden. Bei den Bakterien handelt es sich meist um Clostridien oder E. coli. Sekundäre Bakteriosen sind (wie Mykosen) nicht ansteckend, da die Bakterien sich in einem gesunden Kaninchendarm nicht weiter vermehren können, d.h. für eine Vermehrung muss das Kaninchen bereits krank sein.

  1. Parasitosen, v.a. Kokzidiose und Helminthose
    Durch Ansiedlung von Kokzidien oder Würmern wird das Darmmilieu aus dem Gleichgewicht gebracht, wodurch bakterielle Sekundärinfektionen und Darmmykosen letztendlich begünstigt werden, welche den Durchfall dann auslösen.

  1. Virusenteritis
    Hierbei handelt es sich um eine typische Jungtiererkrankung, welche durch Coronaviren und Rotaviren ausgelöst wird, welche sich v.a. auf der Dünndarmschleimhaut ansiedeln. 80-100% der unter wässrig-schleimigem Durchfall leidenden Jungtiere versterben letztendlich.

  1. Andere Erkrankungen, die zu Inappetenz (Appetitlosigkeit) führen
    Hat ein Kaninchen Schmerzen, frisst es schlechter, wodurch zu wenig Futter in den Magen-Darm-Trakt gelangt. Fehlgärungen und Durchfall sind die Folge.

  1. Antibiotikaintoxikation (= Antibiotikavergiftung)
    Wird einem Kaninchen ein Antibiotikum mit vorwiegend grampositivem Wirkungsspektrum (z.B. Penicillin) verabreicht, wird die überwiegend grampositive Darmflora des Kaninchens schnell mit abgetötet und es kommt zu massiver Vermehrung von Hefepilzen und pathogenen Keimen.

  1. Mutation
    Weiße Kaninchen mit Scheckung, welche punktförmig angeordnet sind, leiden oft unter dem sogenannten Megacolon-Syndrom, wobei unter anderem Durchfall vermehrt auftritt.

Symptome:
Ein Kaninchen hat Durchfall, wenn der Kot matschig oder sogar wässrig ist und säuerlich riecht. Oft verklebt er auch die Anogenitalregion des Tieres.

Verlauf:
Durchfall wird oft als harmlos abgestempelt, weil er uns Menschen in westlichen Industrieländern eher weniger Probleme verursacht. Dabei kann er unter Umständen schnell lebensgefährlich werden und dies gilt auch für Kaninchen! Dauert er länger als einen Tag an, ist unbedingt sofort ein Tierarzt aufzusuchen.

Normalerweise wird Flüssigkeit über die Darmwand resorbiert, d.h. aufgenommen und später als Urin ausgeschieden. Durch den Wasserentzug wird der Kot eingedickt und es entstehen die typische Köttelform. Dies funktioniert bei Durchfall nicht mehr, da weniger Flüssigkeit resorbiert (= osmotische Diarrhoe) oder sogar noch Flüssigkeit zusätzlich in den Nahrungsbrei gegeben wird (= sekretorische Diarrhoe). Das Kaninchen verliert also sehr schnell sehr viel Wasser und dann dadurch dehydrieren, wodurch schließlich das Kreislaufsystem versagt und Schwäche und sogar der Tod des Tieres eintreten können.

Auch werden Kaninchen mit Durchfall vermehrt von Fliegenmaden befallen, da Fliegen ihre Eier an kotverschmierten Körperstellen ablegen. Das betroffene Tier ist also stets sauber zu halten und muss mehrmals täglich nach Fliegenmaden abgesucht werden.

Behandlung:
Durchfall ist, wie bereits erwähnt, nur ein Symptom, welches für einen Störfaktor oder eine Erkrankung spricht. Eine symptomatische Behandlung, welche nur den Durchfall an sich bekämpft, reicht also auf keinen Fall alleine aus. Es muss die Ursache für den Durchfall gefunden werden, denn sonst treten die Probleme immer wieder auf und dies ist jedes Mal lebensgefährlich für das Tier.

Zuerst muss dennoch der vorliegende Durchfall bekämpft werden, damit das Tier nicht dehydriert. Dafür bekommt es Infusionen, um den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt wieder aufzufüllen, Probiotika oder effektive Mikroorganismen, um die Darmflora wiederaufzubauen und Schmerzmittel wie z.B. Novalgin. Zusätzlich bekommt das Kaninchen oft Vitamin B verabreicht, da dessen Bildung durch den Körper nicht erfolgen kann, wenn der Darm nicht richtig arbeitet. Hat sich im Magen-Darm-Trakt auch Gas gebildet, bekommt das Kaninchen auch Dimeticon oder Sab Simplex. Außerdem ist es wichtig, dass das Kaninchen warmgehalten wird, z.B. mit einer Wärmflasche, welche in ein Handtuch gewickelt wurde, ein Kirschkernkissen oder eine Wärmelampe.  Dies stabilisiert den Kreislauf, wenn die Körpertemperatur bereits gesunken ist. Frisst das Kaninchen nicht mehr von selbst, muss es zwangsgefüttert werden, um ihm wieder die Nährstoffe zuzuführen, die es braucht.

Auf lange Sicht ist es jedoch unumgänglich, die Ursache für den Durchfall zu finden und zu eliminieren. Dein Tierarzt wird dir Fragen über die Ernährung deiner Kaninchen stellen. Ob du diese verändern musst, kannst du hier lesen. Außerdem solltest du eine Kotprobe abgeben, welche du über 5 Tage im Gehege gesammelt hast. Der Tierarzt schickt diese dann ins Labor, wo sie auf Endoparasiten, Bakterien und Pilze untersucht wird. Ist die Probe für einen der eben genannten Krankheitserreger positiv, müssen Antiparasitika bzw. Antibiotika oder auch Antimykotika verabreicht werden. Nicht zuletzt sollte der Tierarzt auch unbedingt einen Blick auf die Zähne des Kaninchens werfen und ggf. eine Zahnkorrektur vornehmen, damit das Kaninchen wieder schmerzfrei fressen kann und so auch der Durchfall vermieden wird.

Die richtige Fütterung ist für die Heilung von besonderer Bedeutung. Oft wird zu einer Heudiät geraten, wo das Kaninchen nur noch Heu und Wasser bekommt. Diese ist jedoch in keinem Fall (!) durchzuführen, denn so wird dem Kaninchen keine Flüssigkeit zugeführt und das Problem des Wasserentzuges verstärkt sich noch. Heu kann natürlich zusätzlich angeboten werden, den Großteil der Nahrung sollte jedoch wasserreiches Grünfutter sein. Knollengemüse wie z.B. Möhren hat viel Cellulose (= Stützsubstanz von Pflanzen). Diese Kohlenhydrate werden von den Blinddarmbakterien sehr langsam aufgeschlossen. So kann die Energie schonend Schritt für Schritt aufgenommen werden. Um den Kot einzudicken können auch Banane (schützt die Darmschleimhaut), geriebener Apfel und Fenchel verfüttert werden. Um einem Befall mit Fliegenmaden vorzubeugen, muss das Kaninchen regelmäßig gewaschen werden.

Schutz:
Um ein Kaninchen vor Durchfall zu schützen, muss es vor den Ursachen geschützt werden. Dies bedeutet im Klartext eine artgerechte und gesunde Ernährung  um den Zahnabrieb zu gewährleisten und die Darmflora aufrecht zu erhalten. Außerdem sollten Stress und eine plötzliche Futterumstellung vermieden werden. So kann der Magen-Darm-Trakt einwandfrei funktionieren und auch die wichtigen Darmmikroben werden nicht gestört, sondern angemessen ernährt, sodass sie sich genügend vermehren und krankheitserregenden Keimen keinen Platz bieten. Ein regelmäßiger TA-Kontrollbesuch hilft zudem, Zahnfehlstellungen rechtzeitig zu erkennen. Wer außerdem sichergehen will, dass die Kaninchen keine Parasiten haben, welche Durchfall begünstigen können, sollte zweimal im Jahr eine Kotprobe beim Tierarzt abgeben, welche dann untersucht wird. Die Kotprobe sollte über 5 Tage verteilt an verschiedenen Stellen des Geheges zusammengesammelt werden, um ein richtiges Ergebnis zu erhalten.


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